Bürgergeldreform 2026: Was auf Leistungsbeziehende zukommt – und warum viele sozial Schwache hart getroffen werden

Die Bundesregierung plant für das Jahr 2026 eine tiefgreifende Reform des Bürgergeldes. Dabei geht es nicht nur um einen neuen Namen – künftig soll das System „Grundsicherung für Arbeitsuchende“ heißen – sondern vor allem um eine klare politische Neuausrichtung. Die geplanten Änderungen betreffen Millionen Menschen und werden besonders sozial schwache und verschuldete Haushalte stärker belasten als bisher.

Der folgende Beitrag erklärt verständlich, was sich ändern soll, welche Auswirkungen zu erwarten sind und warum die Reform bereits jetzt scharf kritisiert wird.

Die große Linie der Reform: weniger Unterstützung, mehr Druck

Die Reform stellt einen deutlichen Kurswechsel dar. Die Entlastungs- und Unterstützungsansätze des Bürgergeldes sollen zurückgefahren werden. Stattdessen setzt die Regierung wieder stärker auf Kontrolle, Sanktionen und strenge Vermögensprüfungen.
Für viele Expertinnen und Experten ist dies eine deutliche Rückkehr zur Hartz-IV-Logik.

Nullrunde beim Regelbedarf – reale Kaufkraft sinkt weiter

Die Regelsätze sollen im Jahr 2026 nicht erhöht werden. Damit bleiben:

  • 563 Euro für alleinstehende Erwachsene
  • 506 Euro je Partner in Bedarfsgemeinschaften
  • 471 Euro für Kinder von 6–14 Jahren

Das bedeutet angesichts steigender Lebensmittel- und Energiekosten eine deutliche reale Verschlechterung.

Aktuelle Untersuchungen zeigen schon heute:

  • 56 % der Bürgergeld-Haushalte können sich keine ausgewogene Ernährung leisten
  • 55 % werden nicht regelmäßig satt
  • Bei Alleinerziehenden liegt die Mangelernährungsquote sogar bei 74 %

Ohne Anpassung an die Inflation wird sich diese Lage weiter verschärfen.

Massive Sanktionsverschärfungen: Schon kleine Fehler haben gravierende Folgen

Eine zentrale Änderung betrifft das Sanktionssystem. Die geplante Grundsicherung soll künftig mit deutlich härteren Strafen arbeiten:

Neue Sanktionsregeln:

  • Versäumter Termin beim Jobcenter: sofort 30 % Kürzung
  • Zweites Versäumnis: weitere 30 % Kürzung
  • Drittes Versäumnis: Totalsanktion – inklusive
    • Regelsatz
    • Miete
    • Kranken- und Pflegeversicherung

Damit geht die Grundsicherung an die Grenzen der Verfassungsmäßigkeit, denn Totalsanktionen wurden vom Bundesverfassungsgericht 2019 bereits kritisch bewertet.

Strengere Regeln auch bei Jobangeboten

Wer eine „zumutbare“ Arbeit ablehnt, kann künftig ebenfalls zeitweise vollständig sanktioniert werden.
„Zumutbar“ meint dabei auch:

  • befristete Jobs
  • Tätigkeiten ohne passende Ausbildung
  • schlecht bezahlte Beschäftigungen

Sozialverbände warnen, dass viele Menschen in prekäre Arbeitsverhältnisse gedrängt werden könnten.

Verschärfte Vermögensprüfung – Nachteile besonders für verschuldete Menschen

Die Reform trifft insbesondere Personen, die trotz Schulden geringe Ersparnisse haben.

Wegfall der Karenzzeit

Bisher war das Vermögen im ersten Jahr geschützt (bis 40.000 Euro).
Ab 2026 soll diese Regelung komplett entfallen.

Neue Vermögensgrenzen nach Alter

  • Unter 40 Jahren: 10.000 Euro Schonvermögen
  • Unter 50 Jahren: 12.500 Euro Schonvermögen

Alles darüber muss sofort aufgebraucht werden – ohne Übergangsfrist.

Für verschuldete Menschen ist dies eine dramatische Verschlechterung.
Beispiel:
Wer 20.000 Euro Rücklagen hat, sie aber für Schulden braucht, muss dieses Geld erst vollständig verbrauchen, bevor überhaupt ein Anspruch auf Grundsicherung besteht.
Das wirkt wie eine Zwangsverwertung persönlicher Ersparnisse.

Wohnkosten: Keine Karenzzeit mehr – höheres Risiko für Wohnungslosigkeit

Auch bei den Unterkunftskosten wird drastisch verschärft:

Neue Regeln

  • Miete wird nur noch bis maximal 150 % der lokalen Angemessenheit übernommen
  • Diese Grenze gilt ab dem ersten Tag des Leistungsbezugs
  • Alles darüber muss aus dem Regelbedarf bezahlt werden

Beispiel:
Liegt die Angemessenheitsgrenze bei 500 Euro, übernimmt die Grundsicherung maximal 750 Euro.
Wer 800 Euro Miete zahlt, muss 50 Euro selbst tragen – trotz ohnehin knapper Mittel.

Besonders problematisch: Ballungsräume

In Städten wie Hamburg, Frankfurt oder München liegen selbst einfache Wohnungen weit über den Obergrenzen. Vielen werden massive Umzüge oder sogar Wohnungslosigkeit drohen.

Neue Verpflichtung: Mietpreisbremse rügen

Betroffene sollen aktiv die Mietpreisbremse gegen den Vermieter geltend machen, wenn ein Verdacht auf überhöhte Miete besteht. Unterlassen sie dies, kann das Jobcenter die Leistungen kürzen.
Für viele eine zusätzliche bürokratische und psychologische Hürde.

Familien und Alleinerziehende: Mehr Druck, weniger Unterstützung

Die Reform verschärft die Anforderungen an Eltern:

  • Arbeitspflicht gilt bereits ab dem 1. Lebensjahr des Kindes (statt bisher ab 3 Jahren)
  • Fehlende Kindergrundsicherung verschärft Kinderarmut
  • Nullrunde bedeutet: weniger Geld für Schulmittel, Kleidung, gesundes Essen

Familienverbände warnen vor einer „Armutsspirale“ für Kinder und Alleinerziehende.

Psychisch erkrankte Menschen: Gefahr der Überforderung

Obwohl die Politik erklärt, Härtefälle ausnehmen zu wollen, bleibt die Sanktionierung praktisch bestehen.

Problematisch ist:

  • Terminversäumnisse müssen medizinisch tadellos nachgewiesen werden
  • Für Menschen mit Depression, Angststörungen oder Panikattacken oft unmöglich
  • Risiko: Verschlimmerung der Erkrankung durch existenzielle Angst

Bereits heute sind psychische Erkrankungen der häufigste Grund für Erwerbsminderungsrenten.
Die Reform könnte diesen Trend verstärken.

Verbesserte Hinzuverdienstgrenzen – ein kleines Plus

Es gibt auch eine positive Neuerung: höhere Freibeträge für Nebenverdienste.

Neue Freibeträge:

  • 0–100 €: komplett frei
  • 101–520 €: 20 % frei
  • 521–2.000 €: 30 % frei
  • Über 2.000 €: 35 % frei

Das bietet mehr Anreiz, etwas dazuzuverdienen – kann aber die negativen Auswirkungen der Reform nicht aufwiegen.

Verfassungsrechtliche Unsicherheit

Mehrere Expertinnen und Experten bezweifeln, dass Totalsanktionen verfassungskonform sind.
Das Bundesverfassungsgericht hatte 2019 klargestellt, dass der Staat ein menschenwürdiges Existenzminimum sichern muss.

Die geplanten Maßnahmen bewegen sich am Rand dieser Grenze – möglicherweise darüber hinaus.

Bedeutung für verschuldete und sozial schwache Menschen

Für viele der ohnehin belasteten Haushalte bedeutet die Reform:

  • schnellerer Vermögensverlust
  • höheres Mietrisiko
  • stärkere psychische Belastungen
  • geringere finanzielle Stabilität
  • mehr behördlicher Druck
  • Gefahr von Abbrüchen in Beratung und Therapie

Gerade Menschen, die ohnehin Kämpfe mit Schulden, Krankheit oder schwierigen Lebensumständen führen, werden noch verletzlicher.

Zeitplan – was bisher bekannt ist

  • Dezember 2025: Kabinettsbeschluss
  • Jan./Feb. 2026: Bundestagsabstimmung
  • Inkrafttreten: zwischen 1. Januar und 1. Juli 2026 möglich

Für Betroffene schafft das zusätzliche Unsicherheit.

Fazit: Die Bürgergeldreform 2026 bedeutet harte Einschnitte

Die neuen Regeln werden für viele Menschen mit niedrigen Einkommen, Schulden oder psychischen Belastungen gravierende Folgen haben. Während die Regierung die Reform als Schritt zu „mehr Leistungsbereitschaft“ beschreibt, warnen Verbände vor:

  • wachsender Armut
  • zunehmender Wohnungslosigkeit
  • verfassungsrechtlichen Konflikten
  • Rückkehr zu Hartz-IV-ähnlichen Zuständen

Für Betroffene ist es wichtig, sich frühzeitig zu informieren und ggf. Kontakt zu Schuldner- oder Sozialberatungsstellen aufzunehmen.

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